Erledigungen & Desorientierung

14Sept2011

Ohne etwas Großartiges zu tun oder zu wissen wann wir los wollten, stand ich am 12. September gegen 09:00 Uhr auf. Es stellte sich aber heraus, dass die Anderen erst gegen 15:00 Uhr zur Uni fahren wollten…

Also machte ich mich für ein Stündchen um die Mittagszeit mal alleine auf die Beine, um mir ein wenig die Nebenstraßen anzusehen. Da bei dem Tempel gegenüber derzeit eine Art Fest stattfindet ist hier recht viel los und eine Gasse nahe meinem Wohnheim scheint irgendwie zum Flanieren dazuzugehören. Also ging ich diese ebenfalls einmal Auf und Ab. Dabei traf ich auch auf das süße Maskottchen Orin-chan!

Später am selben Tag machten wir uns auf den Weg zur Uni. Wir wollten ein wenig das Gelände erkunden und herausfinden wo genau unser Placement Test am Dienstag stattfinden würde. In der International Lounge, nahe der Mensa, lernten wir einen Amerikaner (und später auch einen Japaner) kennen, der uns von einem schönen Weg am Fluss entlang erzählte. Dem Tipp wollten wir gleich nachgehen, wurden allerdings zu allererst verunsichert durch gewisse gelbe Zettel an unseren Fahrrädern, die uns sagten wir bräuchten einen Genehmigungssticker um hier an der Uni zu parken. Schnell ans Tor und die Zuständigen gefragt, stellte sich bald heraus, dass wir diesen wir erst bekommen können, wenn wir unsere Student ID haben. Wie ich allerdings nachher noch erläutern werde, erhalten wir unseren Studentenausweis erst am Donnerstag. Alles sehr logisch…

Nachdem wir erneut beim Fahrradladen waren (Janas Reifen hatte einen Platten), fuhren wir als nun am Fluss entlang gen Wohnheim. Und was kann ich sagen… es ist traumhaft! Wie Urlaub! Die Brise beim Fahren, weniger Fußgänger und keine nervigen Ampeln, ein schöner Blick. Echt super Atmosphäre. Es gibt sogar scheinbar Restaurants direkt am Fluss, muss toll sein dort. Seit diesem Tag jedenfalls, fahren wir dort  immer lang um zur Uni zu kommen. Es ist zwar theoretisch ein Umweg, aber da man auf diesem Weg schneller vorankommt, ist man insgesamt trotzdem schneller. Leider habe ich noch keine Bilder von der Stelle gemacht an der wir mit dem Fahrrad fahren, aber etwas weiter nördlich beim Fahrradladen habe ich gegen Sonnenuntergang z.B. diese Fotos gemacht:

Gegen Abend wollten wir noch in die Aeon Mall. Das ist eine große Einkaufsgalerie mit Supermarkt, Kino, Kleidungsläden (sogar Zara o.O), usw. Leider war es bereits geschlossen, als wir dort gegen 22:00 Uhr ankamen (das mag für euch zwar normal erscheinen, aber in Japan haben die Geschäfte eben teils länger auf. Yodobashi Kamera z.B. schließt erst um 23 Uhr). Wir waren vorher noch kurz im Internetcafe gewesen und hatten für 140 Yen (!) billig bei „Nakau“ (eine Udon-Kette) gegessen.

 

Am nächsten Tag, Dienstag den 13. September, sollte endlich die Orientierungswoche in der Uni starten. Ich verrate euch aber nicht zu viel, wenn ich sage, dass es eher zu meiner Desorientierung beiträgt, als zu irgendetwas anderem. Am Morgen erfolgte unser schriftlicher Placement Test. Hier wurden noch alle Prozeduren auf japanisch, englisch, koreanisch und chinesisch ausführlich erläutert. Der Test war grob in drei Schwierigkeitsgrade aufgeteilt, die sich nach den verschiedenen Stufen des JLPT richten. Aufgabenbereich 1 war noch recht machbar und ich dachte ich würde Bereich 2 auch meistern können. Aber fehlgedacht! Das war gleich viel schwerer und da war echt Grammatik drin, die ich noch nie gesehen habe. Insofern habe ich mich an die gegebenen Anweisungen gehalten und das, von dem ich noch nie gehört hatte, auch nicht weiter ausgefüllt. Somit habe ich nur ca. die Hälfte von Aufgabenbereich 2 beantwortet.

Nach dem Test gingen wir gemeinsam mit Mira und zwei Taiwanerinnen, die ebenfalls bei mir im Wohnheim wohnen und die ich vorher noch nicht kannte, in die Mensa. In der Mensa ist es ziemlich teuer. Die Preise richten sich teils nach dem Gewicht des Essens (es gab aber auch feste Portionen und Preise, z.B. für den Reis)! War alles sehr merkwürdig. Aber immerhin konnte ich Takoyaki essen <3 Kostenfrei hatte man die Möglichkeit kalten grünen Tee zum Essen zu trinken. Die Mensa ist nicht sonderlich schön. Sieht ein bisschen alt aus, hätte etwas Besseres erwartet. Während des Essens habe ich mich mit einer der Taiwanerinnen auf Japanisch unterhalten (sie kann nur schlecht englisch scheinbar) und dabei stellte sich heraus, dass sie sogar direkt neben mir wohnt! =D

Im Anschluss hatten wir ein weiteres Treffen zur Orientierung bezüglich des Lebens in Kyôto und des Campuslebens. Hier fängt die Verwirrung an. Wir wurden mit hundert Zetteln und Büchern überhäuft, manche nur auf Japanisch vorhanden, und hetzten grob durch einige wichtige Dokumente durch.Wildes Zettelgekrame im Raum. Hundert Fragezeichen über den Köpfen. Alles wurde mehr oder weniger nur auf Japanisch erklärt. Eine weitere Mitarbeiterin erzählte etwa ein Sechstel des Gesagten noch einmal auf Englisch und das nur mit sehr leiser unsicherer Stimme. Ich habe zwar beinahe alles verstanden, war hinterher aber trotzdem mehr als durcheinander. Es gibt so viele verschiedenen Termine und Anmeldeperioden und Informationen, die teils nur auf andere Studenten zutreffen, und, und, und. Es ist überhaupt nicht übersichtlich und wir waren nach dem Treffen alle ziemlich baff. Vor allem konnte man im Nachhinein nicht einmal im Büro einige Dinge nachfragen, da die Mitarbeiter so gut wie kein Englisch können und die Kommunikation rein auf Japanisch sich bei solch wichtigen Fragen doch sehr schwierig gestaltete. Alles in allem gingen wir an diesem Tag wohl etwas unzufrieden nach Hause. Das heißt bevor wir ins Wohnheim zurück wollten, kauften wir für Mira noch ein Fahrrad und wollten anschließend zum Amt, dass für die Registrierung der Ausländer in Japan zuständig ist. Jeder Ausländer, der in Japan wohnt, muss hier einen Ausländerausweis beantragen und sich registrieren lassen. Dieser Ausweis ist schließlich immer mitzuführen, da er gelegentlich gefordert wird. Dieser Ausweis ist auch nötig um in Japan z.B. ein Handy mit Vertrag kaufen oder ein Bankkonto eröffnen zu können. Als wir jedoch dort ankamen, hatte das Amt, sehr zum Unglück von Dodo und Jana, bereits seit 15 Minuten geschlossen. Beide wollten unbedingt am selben Tag noch ein neues Iphone kaufen und benötigten dafür zumindest ihren vorläufigen Ausländerausweis.

Nach diesem enttäuschenden und verwirrenden Tag gingen wir gemeinsam mit Mira noch in den großen Supermarkt in der Aeon Mall. Dieser Supermarkt scheint mir bisher der Billigste zu sein. Am Abend trafen wir uns dann in Janas Zimmer um gemeinsam Abend zu essen. Es wurde geklagt über die Uni und deren sogenannte „Orientierung“, es wurde gemeckert über den Placement Test, es wurde diskutiert über den Kauf des Iphones und die Öffnungszeiten des Amtes, aber vor allem wurde sich geärgert über unser noch nicht im Zimmer vorhandenes Internet und die Schwierigkeit mit unseren Familien in Kontakt zu stehen. Obwohl wir am selben Tag endlich den Brief mit den Aktivierungsdaten für unser Internet erhalten hatten, war den Unterlagen (und der Information im Nasic-Laden) Folgendes zu entnehmen: das Internet würde erst ab Freitag benutzbar sein. Ich weiß gar nicht mehr wieso, aber gegen 23:00 Uhr versuchte Jana in ihrer Verzweiflung und Langeweile das Internet trotzdem auszuprobieren. Während Dodo und ich auf Janas Bett saßen und uns noch dachten „das klappt ja nie“, dreht sich Jana plötzlich auf ihrem Stuhl zu uns um und schaute ganz entsetzt. Wir hatten die Google-Startseite vor Augen!!! Schnell waren wir alle auf den Beinen und hüpften vor Freude wie bekloppt =D Man verabschiedete sich und verzog sich vor den eigenen Laptop… ich blieb schließlich bis 3 Uhr nachts wach um ein wenig mit meiner Mutter zu skypen (^-^). Man beachte die derzeit 7 Stunden Zeitverschiebung...

 

Schnell war es Mittwoch, der 14. September, und die von mir am meisten gefürchteten mündlichen Prüfungen standen an. Mein Interview sollte um 11:20 Uhr stattfinden, verschob sich allerdings um ca. eine halbe Stunde. Im Endeffekt hätte ich mir keine Sorgen darüber machen müssen. Ich war nur etwa 3 Minuten in dem Raum und musste mich mit zwei Japanern unterhalten. Es wurden nur leichte Fragen bezüglich meiner Herkunft, meines bisherigen Unterrichts in Japanisch, usw. gestellt.

Im Anschluss hatten wir nach einer kurzen Pause ein weiteres Orientierungstreffen. Plötzlich schien man sich vorgenommen haben uns mehr an die Hand zu nehmen. Zuerst füllten wir die Papiere für die Ausländerregistrierung mit Hilfe von japanischen Dôshisha-Studenten, die sich freiwillig gemeldet hatten, aus. Danach erhielten wir von ihnen eine kleine Campus-Führung, die uns im Endeffekt aber auch nicht wirklich zu neuen Orten oder Erkenntnissen brachte, da wir die meisten Plätze bereits am Vortag oder zum Interview besucht hatten. Dafür können die japanischen Studenten aber sicher nichts, sie erfüllen ja nur ihre Aufgabe. Insgesamt fand ich es nett, dass wir endlich die Möglichkeit hatten mit mehr Japanern zu reden. Ich wurde auch von mehreren direkt angesprochen. Vor allem Mami, die im selben Bezirk wohnt wie ich, war sehr nett. Der ‚Anführer‘ unserer Gruppe (die Tour erfolgte in Kleingruppen), schien sogar interessiert an Deutschland und sagte zu uns auf Deutsch, dass er mehr Deutsch lernen wolle :D Nach der Führung sollte gemeinsam zu dem Amt für die Ausländerregistrierung gefahren werden. Da wir jedoch mit dem Fahrrad gekommen waren und nicht mit der U-Bahn fahren wollten, trennten sich hier unsere Wege (wir hatten es im Voraus mit den Japanern abgesprochen). Es lag wieder eine anstrengende Fahrradfahrt vor uns, die Sonne brannte um diese Mittagszeit unheimlich. Die Strecke am Fluss bot leider auch keinen Schatten. Bevor wir halb tot unser Ziel erreichten, kaufte ich mir auf dem Weg noch eine Cola. Wie erfrischend das schmecken kann, ahnt man kaum XD

Schließlich erledigten wir unsere Formularien. Ein Mitarbeiter des Amts schien auch etwas Deutsch zu können oder zumindest höchst erfreut zu sein Deutsche vor sich sitzen zu haben. Kaum waren wir fertig, traf die Gruppe unserer Campus-Tour ein. Die nächste Hürde stellte sich auch in den Weg. Für den Kauf eines Handys war, wie wir erfuhren, ein weiteres Dokument nötig. Dieses wird nur freitags ausgestellt und bestätigt die Adresse des Antragstellers. Auch die Einschreibung in die japanische Krankenversicherung kann nur am Freitag erfolgen, insofern sind wir also heute nicht sonderlich viel weiter gekommen. Erst am Freitag werden wir letztlich alle Dokumente erhalten, die wir zum Kauf eines Handys und zum Eröffnen eines Bankkontos benötigen. Auch wird es einen Monat dauern bis wir unseren endgültigen Ausländerausweis erhalten. Fürs Erste haben wir dann also nur einen vorläufigen Ausweis.

Jetzt sitze ich hier und räume mein Zimmer ein wenig auf… Mein großer Koffer lag bis eben gerade noch immer hier auf dem Boden herum.

Zum Abschluss mal ein Foto, das ich heute auf dem Campus geschossen habe. Man kann sich in etwa vorstellen, wie überall Fahrräder rumstehen ;-)